Wärmewende im Dialog

Die Wärmewende betrifft uns alle: Mit der Nutzung heimischer erneuerbarer Energieträger werden neue technische Infrastrukturen an Orten stehen, an denen Menschen leben, arbeiten und ihre Freizeit verbringen, und müssen in dieses Umfeld integriert werden. Die neuen Anlagen weisen verschiedene Vorteile auf: Sie nutzen regenerative Energien, bieten Arbeitsplätze, verschaffen dem Standort einen Imagegewinn. Sie bringen aber auch technische und soziale Herausforderungen mit sich. Dazu gehört der Umgang mit der Tatsache, dass sich die Auswirkungen einer neuartigen Anlage auf ihr Umfeld erst mit der Zeit vollständig erfassen lassen. Das Ziel für die Weiterentwicklung besteht im Erreichen der Klimaneutralität in den nächsten Jahrzehnten.

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Dies gilt auch für die Geothermie. Im Oberrheingaben ist das Potenzial für die Nutzung der Geothermie hoch. Allerdings sind neuartige Technologien mit Ungewissheiten behaftet – sie können für den Einzelnen sowohl Chancen als auch Risiken bergen und für die Gesamtgesellschaft sowohl weitreichende Vorteile als auch Nachteile bringen. Erfahrungen mit der Planung und Verwirklichung großer Infrastrukturprojekte haben gezeigt, dass es sich empfiehlt, die Bedenken und Sorgen, aber auch das vorhandene Wissen der lokalen Bevölkerung, möglichst frühzeitig im Projektverlauf aufzugreifen. Dies kann das Projekt inhaltlich voranbringen und eine Eskalation von Konflikten Konflikte entstehen auf der Grundlage vieler verschiedener Interessen und Wertvorstellungen in der Bevölkerung. Gerade Wertekonflikte werden jedoch in genehmigungsrechtlichen Verfahren derzeit meist nicht bearbeitet, da diese auf einen Interessenausgleich ausgerichtet sind. verhindern.

Anwohnerinnen und Anwohner, die Bedenken gegenüber Geothermieanlagen äußern, finden sich teilweise dem Vorwurf ausgesetzt, solche Anlagen zwar grundsätzlich zu begrüßen, aber in ihrer Nähe abzulehnen, das heißt, ein sogenanntes NIMBY-Verhalten NIMBY steht für “Not-in-my-backyard" (auf Deutsch auch “Sankt-Florians-Prinzip") und steht für die Ablehnung von Belastungen wie Lärm oder den Bau von Infrastrukturanlagen in der direkten Wohnumgebung  zu zeigen. Sozialwissenschaftliche Studien zeigen allerdings, dass Praxisakteure Dieser Begriff steht hier zusammenfassend für Bürgerinnen und Bürger sowie Stakeholder, d.h. Personen, die aus verschiedenen Motiven Interesse am Projekt haben häufig das Gemeinwohl im Blick haben und mit ihrem lokalen Wissen und ihren eigenen Perspektiven wesentlich zu einer umfassenden Betrachtung der Auswirkungen dieser Anlagen beitragen. Ein auf Dialog ausgerichtetes Beteiligungsverfahren ermöglicht, die Bedürfnisse, Sorgen und Ängste der Praxisakteure zu adressieren und die Planungen für einzelne Anlagen, aber auch für die Wärmewende als Ganzes anzupassen.

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Wissenschaft und Wärmewende

Grundsätzlich ist es nicht Aufgabe der Wissenschaften, politische Abwägungen in ihre Überlegungen mit einzubeziehen. Entscheidungen darüber, ob und wie wissenschaftliche Erkenntnisse in die Praxis übertragen werden, können nur Politiker im Dialog mit Praxisakteuren und Wissenschaftlern treffen. Auf die Frage nach einem Ausgleich zwischen dem gesellschaftlichen Interesse an der Bewältigung des Klimawandels und weiteren gesellschaftlichen sowie privaten Interessen gibt es demnach keine rein wissenschaftliche Antwort. Gesellschaftliche Probleme lassen sich vielmehr nur dann erfolgreich bearbeiten, wenn Wissenschaft und Gesellschaft kooperieren. Forschungsprojekte, in denen Wissenschaftler und Praxisakteure gemeinsam an der Lösung gesellschaftlicher Probleme arbeiten, werden als transdisziplinär bezeichnet (siehe auch Infobox unten).

Zur Geothermie gibt es bisher nur wenig transdisziplinäre Forschung. Ein bekanntes Beispiel ist eine Studie zum Geothermievorhaben in St. Gallen (Schweiz): Wissenschaftler und Studierende der ETH Zürich untersuchten gemeinsam mit Praxisakteuren, welche Erkenntnisse sich aus dem Tiefengeothermieprojekt in St. Gallen für zukünftige Projekte in der Schweiz ziehen lassen. Neu ist hingegen der Weg, schon die Planung eines Geothermieprojekts transdisziplinär anzugehen – dies geschieht erstmals im Projekt GECKO.

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Transdisziplinarität

Der transdisziplinäre Ansatz eignet sich dafür, praxisorientierte Lösungen für verschiedenste gesellschaftliche Probleme zu erarbeiten. Dazu gehören beispielsweise Veränderungen infolge des Klimawandels, Maßnahmen der Energiewende oder Fragen der Gesundheitsvorsorge. In transdisziplinären Projekten erschließen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gemeinsam mit Praxisakteuren Wissen und erarbeiten so Problemlösungsansätze für realweltliche Probleme. Dadurch werden Lernprozesse angestoßen und eventuell auch Veränderungen. In transdisziplinären Projekten werden verschiedene Ansätze verfolgt. Teilweise wird gemeinsam an der Konzeption des Projekts gearbeitet, an der Forschung selbst oder an der Evaluierung. Dabei begegnen sich alle Beteiligten gleichberechtigt.